FORE-Tagung Juli 2024

FORE – Tagung

Zeitenwenden

Fr. 19. Juli bis So. 21. Juli 2024

Abtei Frauenwörth im Chiemsee (Fraueninsel)
83256 Frauenchiemsee
Tel. 08054/7644, http://www.frauenwoerth.de

Bei unserer letzten Veranstaltung zum Thema „Ende“ ging es vor allem um das Ende des Lebens, das Ende von Musikwerken und den offenen Rand des Universums. In den Diskussionen kam aber zum Ausdruck, dass es im individuellen Leben und in Gemeinschaften viel mehr um Neuanfänge und Übergänge geht. So stand schnell im Raum, sich bei dem Seminar auf der Fraueninsel mit „Zeitenwenden“ zu befassen, um einen Ausdruck zu verwenden, der seit der Rede unser Bundeskanzlers nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine wieder stärker im Bewusstsein ist. 

Bei der Vielfalt des Themas ist es verständlich, dass wir nur Akzente setzen können, die sich aus den Diskussionen des Organisationsteams und aktuellen Anlässen ergeben haben.

Die Veranstaltung wird Toni Lerf mit Betrachtungen zu dem Spätwerk „Ende des 20. Jahrhunderts“ von Josef Beuys eröffnen. Er war zu seinen Lebzeiten gut für manche Aufregung und Skandale. Wie kaum ein anderer zeitgenössischer Künstler war er darum bemüht, sein umfangreiches künstlerisches Schaffen in Interviews und Publikationen zu erklären. Sein Denken changierte dabei zwischen anthroposophischem Gedankengut und aufklärerischer Rationalität. Seit Ende der 70er Jahre engagierte er sich auch politisch. Eines seiner letzten Werke, das es in mehreren kleinen Versionen gibt, ist das „Ende des 20. Jahrhunderts“. Steht man in der Pinakothek der Moderne vor diesem monumentalen Werk aus 44 nur roh behauenen Basaltsteinen, ist man ratlos. Was das Material anlangt, gibt es enge Beziehungen zu dem Projekt der 7000 Eichen, das Beuys anlässlich der documenta 7 im Jahre 1982 initiiert hatte. Es werden einige der plausibelsten Deutungsansätze vorgestellt. Die Parallele zu einem weiteren, nahezu 30 Jahre älteren Werk – „Das Rudel“ -   eröffnet die Möglichkeit, die drei vorgestellten Werke, ja vielleicht sogar das gesamte Lebenswerk im Lichte von Latours Aktions-Netzwerk-Theorie (vgl. Beitrag Wernecke/Lerf Sommer 2023) neu zu sehen.

Bernhard Ebneth von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, den wir nach einer langen Pause wieder als Referenten gewinnen konnten, wird uns aus seiner eigenen Erfahrung bei der digitalen Transformation von Lexika berichten. Das weitgehend permanent und überall verfügbare Internet hat die Informations- und Kommunikationsstrukturen der Gesellschaft seit den 1990er Jahren radikal verändert. Dies hatte gravierende Auswirkungen auf traditionelle Lexika (z. B. Brockhaus, Encyclopaedia Britannica) und führte unter den Aspekten von ‚Digital Humanities‘ und ‚Cultural Heritage‘ zu neuen Konzepten für ‚hybride‘ (ältere) und ‚digital born‘ (neue) Lexika und Fachportale. Aktuell stehen wir ‚dank‘ Künstlicher Intelligenz, ‚Sozialer Medien‘ und ChatGPT vor neuen, voraussichtlich noch radikaleren Veränderungen: Haben die Suchmaschinen, in der Praxis überwiegend Google, noch zu - mehr oder minder überprüfbaren - Ressourcen im Internet verlinkt, so erhält man jetzt zu jeder beliebigen Frage schon auf den ersten Blick eine (scheinbar stimmige) Auskunft oder einen Text(vorschlag). Die Informationen sind möglicherweise bereits zugeschnitten auf mein individuelles Nutzerprofil und meine (vermeintlichen) Interessen. Wie können wir dabei eine quellenkritische Medienkompetenz bewahren bzw. müssen diese weiterentwickeln?
Vorwiegend am Beispiel von historisch-biographischen Lexika versucht der Referent, einzelne Entwicklungen nachzuzeichnen und einen Ausblick zu geben. Welche Zukunft haben die Lexika? Wie weit reflektieren sie einen (medialen) Epochenwandel?

Angeregt von einem Artikel im Feuilleton der SZ über die schon lange anhaltende Stagnation in der theoretischen Entwicklung der Grundlagenphysik und von mehreren Diskussionen dazu mit Jürgen Friese vom Physikdepartment der TUM konnte Toni Lerf diesen für einen Vortrag gewinnen. Die von Erwin Schuberth in Bad Endorf angeschnittenen Themen können damit vertieft werden.
Nach Jürgen Friese sucht die Kern-, Teilchen- und Astrophysik nach einem grundlegenden Verständnis der bisher bekannten vier Kräfte, die wir in der uns zugänglichen Realität bisher beobachtet haben. In den Standardmodellen der Teilchenphysik und der Kosmologie bleiben jedoch manche beobachteten Effekte völlig unverstanden. Die experimentelle und theoretische Suche nach Lösungen dafür stellen einen sehr spannenden und herausfordernden Teil der zeitgenössischen Grundlagenforschung dar. Die Zukunft ist unbekannt, aber sehr hell. Im Vortrag werden einige wenige Beispiele aus dem Bereich der Teilchen- und Schwerionenphysik behandelt. Stichworte sind "Verschmelzung von Neutronensternen", "Plasma aus Quarks und Gluonen", "Dunkle Materie".  

Die Biologin Martha Mertens vom BUND berichtet über die Probleme der derzeitigen landwirtschaftlichen Praxis und  mögliche Auswege, nachdem das EU-Parlament die die Landwirtschaft betreffenden Umweltstandards revidiert hat.  
Das vorherrschende Landwirtschaftssystem mit Monokulturen und hohem Bedarf an synthetischen Düngemitteln und Pestiziden ist ein wichtiger Treiber des Artenverlusts. Zahlreiche Studien zeigen dies. Umweltverbände wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) setzen sich deshalb seit Jahren für die ökologische Wende in der Landwirtschaft ein. Dass sich die Dinge ändern müssen, wurde auch in der EU erkannt. So soll mit der "farm-to-fork" Strategie der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln signifikant reduziert und der Anteil des Ökoanbaus deutlich gesteigert werden. Doch wie sieht es mit der Umsetzung der hehren Pläne aus und welche Rolle können dabei Umweltverbände spielen? Welche Herausforderungen ergeben sich durch die jüngsten Beschlüsse des Europaparlaments, die als Folge der Bauernproteste die farm-to-fork Strategie auf die lange Bank schieben?

Entsprechend unserer Gepflogenheit, nicht nur wissenschaftliche Beiträge in unser Programm einzubeziehen, wird Siegfried Kreibe zum Abschluss unseres Seminars an Erich Kästner anlässlich seines 125. Geburts- und 50. Todestages erinnern.
Als Autor von Kinderbüchern dürfte Erich Kästner jedem bekannt sein. Er hat aber auch Texte für Erwachsene verfasst, gesellschaftskritische und politische Texte und eine schier unübersehbare Vielzahl an Gedichten. Anhand von Textauszügen aus Schriften dieses Autors, von Anekdoten und Hintergrundinformationen wird Siegfried Kreibe uns mitnehmen auf eine Wanderung durch Kästners Leben und durch die Zeit, in der er lebte: Das Ende seiner Kindheit, das seiner Freiheit als Autor und das seiner Zensur. Der Tod von Freunden und Verwandten, vor allem der seiner Mutter, das Ende des ersten Weltkriegs, das Ende der Weimarer Republik, das Ende des zweiten Weltkriegs, das Ende von Kästners Leben und das der Menschheit werden Etappen auf dieser Reise sein.

Programm

Freitag, 19.7.2024
ab   13:00   Anreise
15:00 16:30 Anton Lerf
      „Josef Beuys und sein Spätwerk Das Ende des 20. Jahrhunderts
16:30 17:00   Kaffeepause
17:00 18:30 Bernhard Ebneth
      „Lexika in der digitalen Transformation“
    19:00   Abendessen in der „Linde“

 

Samstag, 20.7.2024
ab   8:00   Frühstück beim „Klosterwirt“
9:00 10:30 Jürgen Friese
      „Aspekte moderner Grundlagenphysik“
10:30 11:00   Kaffeepause
11:00 12:30 Martha Mertens
      „Landwirtschaft geht auch anders – Agrarökologie ist das Gebot der Stunde“
    12:45 Mittagessen beim „Inselbräu“
14:00 15:30 Siegfried Kreibe
        „Erich Kästner und das Ende – eine literarische Collage“
    15:30   Monika Huber
        Führung zu besonderen Plätzen, alten Handwerksbetrieben und zu der neuen Entdeckung des Oktogons aus dem zehnten Jahrhundert
    19:00   Abendessen in der „Linde“

 

Sonntag, 21.7.2024
ab   8:00   Frühstück beim „Klosterwirt“
ca.   10:30 Helga Schömmer
      Führung in Prien
ca.   12:30   Abschluss der Tagung mit dem Mittagessen im Wieninger Bräu

 

 

 

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