FORE-Tagung März 2024

FORE – Tagung

Ende! Und danach?

Fr./Sa. 1./2. März 2024

Seminarhaus Alter Ziehbrunnen
Bergstraße 30 - 83093 Bad Endorf
Tel.: 0 80 53/30 75-0 http://www.ziehbrunnen.de

Bereits am Ende unserer Tagung auf der Fraueninsel im Juli 2023 haben wir uns auf das Thema „Ende“ für unsere nächste Veranstaltung geeinigt. Der Begriff „Ende“ lässt denken an Hölle und Apokalypse und knüpft damit an frühere Seminare an („Hölle“, Februar 2023 und „Apokalypse“, März 2012).

Beim Reden vom „Ende“ denkt man zunächst an ein finales Ereignis: Tod, Untergang einer Kultur, Verschwinden von Lebensformen. Aber bei näherer Betrachtung schwingt auch die Hoffnung auf ein „Danach“ mit. Diese Ambivalenz ist schon angelegt in der Offenbarung des Johannes aus dem NT. Darin wird der Weltuntergang detailreich geschildert bis zum großen Weltgericht über die Menschen und den Sieg über Satan. Aber bereits diese Geschichte endet mit dem hoffnungsvollen Satz „Er, der auf dem Thron saß sprach: Seht, ich mache alles neu“, und der Schilderung des neuen Jerusalem. Auch das AT kennt in der Genesis eine Untergangsgeschichte: Gott ist erzürnt über die Verderbtheit der Menschen und beschließt deren Untergang in einer großen Sintflut. Nur Noah findet Gnade und bekommt den Auftrag, eine Arche zu bauen, groß genug für ihn, seine Familie und für je ein Paar aller Tiere, um damit die große Flut zu überstehen. Nach deren Ende schließt Gott unter dem Zeichen des Regenbogens einen Bund mit Noah mit dem Versprechen, niemals mehr mit solcher Gewalt in die Geschicke der Menschen einzugreifen.

Paläontologen und Geologen haben unzählige Hinweise auf mindestens fünf Massenaussterben von Lebewesen zusammengetragen. Auch wenn im Extremfall mehr als 90% der existierenden Arten ausgestorben sind, hat sich nach dem katastrophalen Ereignis immer eine neue Fülle des Lebens ausgebildet und die Erde besiedelt.

Arnold Toynbee deutet die Weltgeschichte vor dem Hintergrund der Evolutionstheorie in Begriffen der Entstehung, des Aufstiegs und des Absterbens von Kulturen. Er identifiziert 17 große Gesellschaftskörper, von denen die meisten verschwunden sind. Den heute dominierenden westlichen Gesellschaftskörper sieht er als „Enkelkultur“ der untergegangenen griechisch/römischen Elternkultur und der sumerisch-babylonisch-ägyptischen „Großelternkultur“. Für Kollektive scheint das „katastrophale Ende“ eher der Übergang zu einem neuen Zustand zu sein, allerdings begleitet von unendlichen Opfern.

Für alle Individuen ist das Ende des Lebens ein endgültiges Ereignis, das mit dem Zerfall des Organismus verbunden ist. Aber für die menschlichen Individuen sehen alle Kulturen ein Weiterleben eines irgendwie transformierten Körpers nach dem Tod in einer Unterwelt, einem Paradies oder in einem anderen Lebewesen vor.

 Mit dem von dem Substantiv „Ende“ abgeleiteten Adjektiv „endlich“ und dessen Gegenteil „unendlich“ eröffnen sich weitere Aspekte unseres Themas, z.B. die Welt der griechischen Naturphilosophie und die Beziehungen zur modernen Kosmologie. 

Obwohl das Themas „Ende“ viele Assoziationen weckt, können wir bei unserem Seminar nur eine engere Auswahl treffen. Der Freitagnachmittag ist dem Thema „endlich/unendlich“ in der griechischen Naturphilosophie und der modernen Kosmologie gewidmet. Am Samstagvormittag stellen wir uns dem Thema „Ende des Lebens“, und zwar speziell der Palliativmedizin für Schwerkranke. Der abschließende Beitrag widmet sich dem „Ende in der Musik“.

Jörg Wernecke wird uns in die frühe ionische Kosmologie einführen. Für Hesiod (in seiner Theogonie) existiert am Weltenrand ein chaotischer Abgrund. Anaximander hat als erster eine Karte der griechischen Welt gezeichnet und bezeichnet das, was jenseits des für die Griechen „Erreichbaren“ liegt, als das „ απειρον“, das „Unendliche“, „Unbegrenzte“ Außen. Das „Erreichbare“ ist die Welt der Dinge (πειρατα) und diese ist begrenzt. Für Aristoteles ist nur die begrenzte materielle Welt real und das „Unendliche“ lediglich das eventuell „Mögliche“.

Erwin Schuberth will uns möglichst anschaulich Fragen der modernen Kosmologie vorstellen. Derzeitige Modelle des Universums beruhen auf Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und der Theorie vom Urknall. Für die Vorstellung eines geschlossenen Universums reicht die Dichte der Materie, wie wir sie kennen, bei Weitem nicht hin. Deshalb wurde  die Existenz von dunkler Materie und Energie gefordert, deren Natur bis heute nicht geklärt ist. Rätsel gibt auch auf, dass sich die Galaxien am äußersten Rand des Universums beschleunigt von der Erde aus weg bewegen. Trotz einer überwältigenden Fülle von experimentellen Daten können wir die elementaren Fragen der griechischen Philosophen bis heute nicht beantworten.

Margit Kreibe nähert sich diesem komplexen Thema ausgehend von ihrer Tätigkeit als Palliative Care Fachkraft in einem ambulanten Hospizdienst. Laut einer Umfrage des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes 2022 wünschen sich 78% der Befragten im Falle einer unheilbaren, lebensbedrohlichen Erkrankung ein „gutes Ende“ zu Hause durch Linderung von Leid im Sinne belastender Symptome, von Angst und Sorgen. Im Vortrag will sie aufzeigen, wie im häuslichen Kontext durch eine umfassende Palliativversorgung ein Sterben „in Ruhe und Würde“ gelingen kann.

Nach Bernhold Schmid ist die Musik die Zeitkunst par excellence. Sie existiert nur als Erklingen und das Erklingen ist ein zeitlicher Verlauf, der beginnt und endet. Da nun die Musik der Zeit unterworfen ist, kann sie umgekehrt die Zeit gestalten, und damit auch Anfang und Schluss in ihrem zeitlichen Verlauf ganz bewusst formen. Für Schlüsse von Sätzen gibt es denkbar viele Möglichkeiten, u.a. Bezugnahmen des Schlusses auf den Anfang und auch umgekehrt. Schlusssätze können ihre Funktion als Ende eines mehrsätzigen Werks schon an ihrem Beginn unmissverständlich zeigen. Opernschlüsse sind insofern anderen Bedingungen unterworfen, da sie an den dramaturgischen Verlauf des Librettos gebunden sind. Eine auch nur einigermaßen umfassende Darstellung des weitgespannten Themas ist in einem Vortrag nicht möglich. Es bietet sich aber die Chance, die Vielfalt der Aspekte wenigstens anzuschneiden und mit Tonbeispielen zu illustrieren.

 

Programm

Freitag, 1.3.2024
ab   13:00   Anreise
15:00 16:30 Jörg Wernecke
      „Apeiron: Anmerkungen zur antiken Kosmologie“
16:30 17:00   Kaffeepause
17:00 18:30 Erwin Schuberth (Video-Beitrag, und Diskussion über Zoom)
      „Moderne Kosmologie: Grenzen der Erkenntnis in der modernen Astrophysik“
    19:00   Abendessen

 

Samstag, 2.3.2024
ab   8:00   Frühstück
9:00 10:30 Margit Kreibe
      Das Ende: „In Ruhe zu Hause sterben – ist das möglich?“
10:30 11:00   Kaffeepause
11:00 12:30 Bernhold Schmid
      „Nur eines will ich noch, das Ende.“ Satzenden, Finalsätze, Opernschlüsse, … Gedanken zu einem endlosen Thema
    13:00 Ende der Tagung mit dem Mittagessen

 

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