FORE – Tagung
Technik als Heilsversprechen:
Zwischen Hype, Dämonisierung und Abschreibung
Fr. 29. Juli bis So. 31. Juli 2022
Abtei Frauenwörth im Chiemsee (Fraueninsel)
83256 Frauenchiemsee
Tel. 08054/7644, http://www.frauenwoerth.de
Bei dem Treffen des Organisationsteams Ende Oktober im Conviva haben wir uns darüber mokiert, dass die meisten Parteien nach ihrer langdauernden Erkenntnisverweigerung des Klima- und Energieproblems ihr Heil in den nächst besten technologischen Lösungen suchen, um sich selbst und den Bürgern nicht eingestehen zu müssen, dass die notwendigen Transformationen nicht ohne Änderung der Lebensgewohnheiten zu haben sein werden. Das Mantra-artige „Herunterbeten“ der immer gleichen Vokabeln Digitalisierung, Elektromobilität, regenerative Energie, …hat Züge von Heilsversprechen. Dieses vielleicht etwas überspitzte Statement rief in unserer Runde eine Fülle von Erinnerungen an groß angekündigte technische Versprechen wach, die im Sande verlaufen sind, oder erst mit gehöriger Verspätung und unter starken Wandlungen in die Anwendung gefunden haben. Hier gibt es eine Fülle von historischen und aktuellen Beispielen, z.B. die chemisch induzierte Kernfusion, Photovoltaik, High-Tc Supraleiter, Molekulare Elektronik, 3-D-Drucker, Quantencomputer.
Damit war das Stichwort für unsere nächste FORE-Veranstaltung gegeben. Bei der Fülle der möglichen Themen war uns klar, dass wir damit wohl zwei Veranstaltungen bestreiten können.
Leider waren Anfragen an externe Referenten, die wir wegen der unsicheren Coronasituation erst im April vorgenommen haben, auch wegen Terminschwierigkeiten nicht erfolgreich. Deshalb sind alle vier Vortragenden wieder aus dem FORE-Kreis. Die Themen sind nur locker an des Rahmenthema angebunden.
Michael Schneider wird über den Hype um die Hochtemperatursupraleiter in den 1980er Jahren berichten. Er hat damals im Rahmen seiner Habilitationsarbeit namhafte Wissenschaftler zu ihren Projekten und ihren Erwartungen zu den technischen Anwendungsmöglichkeiten dieser neuen Materialklasse befragt. Mit Unterstützung von Toni und Erwin Schuberth wird er auch beleuchten, was daraus bis heute geworden ist.
Siegfried Kreibe wird eine kleine, historische Reise unternehmen, die zunächst durch die
Wirren und Fortschritte des Kampfs gegen sich rapide ausbreitende Krankheiten führt, von denen wir heute wissen, dass sie von Mikroorganismen verursacht werden. Gefährliche Ausdünstungen aus dem Feuchten, Erdigen, Dampfigen und andere Miasmen, die Entdeckung der Mikroben als Krankheitsursache, der Streit um das Ob und Wie ihres
Wirkens werden angesprochen. Thema ist aber auch unser Verhältnis zu Mikroben über das Krankmachende hinaus. Und dann gibt es noch weitere dubiose Prozesse, die aus uns selbst heraus wirken ...
Künstliche Wesen, geschaffen von dem göttlichen Schmied Hephaistos, bevölkern bereits die griechische Mythologie. Bekanntestes Beispiel ist die Figur der Pandora, die den Epimetheus bezirzt und auf dessen Verlangen ihre Büchse öffnet und so alles Unheil über die Menschen bringt: Das ist die Rache von Zeus an den Menschen, denen der Bruder des Epimetheus, Prometheus, das Feuer gebracht hatte. Seit damals geistern durch die Kulturgeschichte Legenden über die Schaffung künstlicher/lebender Wesen durch Menschen, angefangen von den Golemgeschichten, der Schaffung der Homunkuli bis zu den mechanischen Wesen der Barockzeit und der Romantik. Toni Lerf wird einige dieser Geschichten vorstellen.
Nikolaus Schatt wird der Frage nachgehen, ob Wissen und Intelligenz dem Menschen vorbehalten bleiben, oder ob auch andere Wesen oder Maschinen Intelligenz erwerben/besitzen können. Im weiteren Verlauf seines Vortrags wird er diskutieren, was Maschinen bereits heute (2020) leisten können, wie künstliche Intelligenz und der zugehörige Hype unser Leben künftig beeinflussen werden und ob Maschinen 2062 ganz übernehmen.
Der Samstagnachmittag gehört Bernhold Schmid. Er hat in unserem Kreis schon mal zum Thema „Zeit in der Musik“ vorgetragen. Er hat die Ausgabe des musikalischen Werks von Orlando di Lasso bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften betreut. In seinem Vortrag wird er das von Albrecht V. beauftragte Werk der Vertonung der Bußpsalmen vorstellen. Die Texte deutet Lasso musikalisch aus, aber nicht ganz so, wie man es von ihm ansonsten kennt; wesentlich weniger exaltiert, stattdessen hat man den Eindruck, dass er den meditativen Charakter insgesamt einfängt. Dazu kommen die Ausdeutungen durch den Maler Hans Mielich (insgesamt wohl 2500 bis 3500 Einzeldarstellungen). Der Codex kann auch als „theatrum sapientiae“ gelten, weil man darin auch Sachen sehen kann, die man sonst nicht so leicht ausstellen konnte (Elefanten, ein Einhorn, ein Wal, x-mal die Arche Noah in immer wieder anderer Bauart). In gewisser Weise kann der Codex auch als Fortsetzung von Albrechts Kunst- und Wunderkammer gesehen werden.
Programm
Freitag, 29.7.2022
ab | 13:00 | Anreise | ||
15:00 | – | 16:30 | Michael Schneider | |
Vom "Woodstock der Physik" über die "Bonanza-Zeit" zum "Frust" – Hochtemperatursupraleiter als "gescheiterte Innovationen"? |
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17:00 | – | 18:30 | Siegried Kreibe |
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Miasmen – Mikroben – Menschen, vom Streiten wider das krankmachende Unsichtbare |
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19:00 | Abendessen |
Samstag, 30.7.2022
ab | 8:00 | Frühstück | ||
9:00 | – | 10:30 | Toni Lerf | |
Künstliche Wesen: Golem, Homunkulus und technische Automaten | ||||
11:00 | – | 12:30 | Nikolaus Schatt |
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Natürliche und Künstliche Intelligenz | ||||
13:00 | Mittagessen | |||
14:30 | – | 16:00 | Bernhold Schmid |
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Orlando di Lasso und die schönste Musikhandschrift der Welt |
Sonntag, 31.7.2022
ab | 8:00 | Frühstück | ||
ab | 10:30 | Johanna Lederer |
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Führung im Römermuseum in Seebruck (dem römischen Bedaium) |
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ca. | 12:30 | Abschluss der Tagung mit dem Mittagessen im Restaurant Malerwinkel |